Hast du schon einmal beobachtet oder darüber nachgedacht, ob du eher schnell oder langsam malst? Ich selbst mache gerade mein persönliches 100-Tage-Projekt, bei dem ich jeden Tag einen Malflow mache, will sagen: ein Kritzelbild. Und in dem Zusammen­hang möchte ich dir gern davon erzählen, wie es sich anfühlt und was passiert, wenn du schnell malst. 

In den vergangenen fünf Jahren, in denen ich nun endlich wieder male, habe ich die meiste Zeit sitzend an einem Malplatz verbracht. Ob mit Aquarell und Happy Painting, ob mit Collage und Farben im Art Journal, ob mit Füller und Stiften beim Gunkeln oder im Skizzen­buch, beim Malen mit Gouache oder mit Lineal und Zirkel beim Mandalamalen. Das war alles schön und gut und das hat auch alles seine wunderbar entspannenden Seiten. Das Maltempo war dabei aber eher bedacht bis langsam. 

Energetisch oder bedachtsam?

In dem Moment, da ich das jetzt gerade schrieb, bedacht und lang­sam, wurde mir klar was dahin­tersteckt: Be-dacht-heit, mit den Gedanken dabei, die Kontrolle behaltend. Bedachtsamkeit bedeu­tet, dass du acht gibst auf deine Stiche und Handlungen, hier ist (oder ist es für mich) mehr Planung im Spiel. Das Wort „Bedächtigkeit“ gilt als Synomym für Langsamkeit. (Zum langsamen Malen lies weiter unten.)

Wenn du schnell malst, hast du zwar immer noch die Kontrolle über dich, aber die Striche werden viel energetischer und auch impul­siver. Und wenn du schnell ma­len willst, brauchst du mehr Raum. Mir gelingt rasches und energeti­sches Malen selten im Sitzen. Dazu brauche ich meinen ganzen Körper. 

Im Stehen malen

Hast du das schon mal versucht? Im Stehen malen? Den ganzen Körper „mitreden“ lassen beim Ma­len? Voller Energie und mit raschen Bewegungen? Im Sitzen sind wir in der Bewe­gung beschränkt. Wir können den Oberkörper drehen und die Arme und den Kopf bewegen, aber ab der Hüfte sind wir fixiert. Die Hüfte aber ist der Dreh- und Angelpunkt unseres Körpers. Wenn sie frei ist, bewegen wir uns ganz anders und sind ganz DA!

Das bedeutet nicht, dass du Füße oder Knie unmittelbar zum Malen brauchst, obwohl das auch eine Idee wäre, es be­deutet aber, dass du frei bist, dich so zu bewegen, wie du gerade emp­findest, und es erlaubt dir, dass du schnell malst. Mit großzügi­gen Schwüngen und Bewegungen, mal näher am Malgrund, mal weiter weg, frei und doch mit beiden Füßen auf den Boden. Und mit geradem Rücken, den Kopf im Himmel. Auf diese Art bist der ohne Knick in der Mitte verbunden mit deinem kreativen Körper, mit der Quelle in dir, und die Energie kann frei durch dich hindurch auf der Mal­grund fließen. 

Wenn du schnell malst und dein ganzer Körper dabei involviert ist, hat dein Verstand Pause. Nix mehr mit Bedachtsamkeit, hier entfaltet sich dein kreatives Wesen, drückt sich deine Seele aus in „marks“ und Farben. Wenn ich schnell male, folgt ein Impuls auf den nächsten, und ich weiß immer, was gerade dran ist. Hier hat der vielbeschworene (und davon noch immer nicht real existierende) „innere Kritiker“ keine Chance!

Ich weiß komischerweise auch immer, wann das Bild fertig ist. Das spüre ich in meinem Körper. Wie bei einem Plattenspieler. Der hört auch auf, wenn das Lied zu Ende ist. So kann es sein, wenn du schnell malst. Das geht eine Weile, bis der Malflow versiegt, und dann ist es gut. Für dieses Mal. Dann dann freust du dich – bzw. ich mich – schon auf das nächste Mal.

Ab in den Flow

Energetisch und mit Tempo und expressiven Bewegungen zu malen, ist für mich eine ganzheitliche Körpererfahrung, die mich intensiv und mir selbst verbindet und mich völlig im Hier und Jetzt sein lässt. Ich bin sonst für Ablenkun­gen sehr anfällig, aber hier bin ich voll und ganz da. Ich nenne das Ganze absichtlich Mal-Flow, weil es genau das ist: ein Flow-Erlebnis, das intensiv dazu beiträgt, meinen Körper mit regenerierenden Botenstoffen zu fluten. Es ist die reine Wohltat!

Hast du jetzt Lust bekommen aus­zuprobieren, wie es für dich ist, wenn du schnell malst? Dann nur zu und lass mich gern wissen, wie es für dich war. 

Als ich es zum ersten Mal gewagt habe, hat es sich ganz ungewohnt angefühlt. Mir fehlte die Sicherheit des Sitzens am Malplatz. Im ersten Moment habe ich mich völlig haltlos gefühlt und wollte schon das Papier wieder von der Wand nehmen. Eine Stimme in mir war ganz laut: „mach das nicht! Das ist gefährlich! Was bildest du dir ein?“ Ich tat es trotzdem. Ich hab mich darauf eingelassen – und habe mir damit einen Kindheitstraum erfüllt! Schon als junges Mädchen sah ich mich manchmal mit Pinsel und Palette in den Händen an der Staffelei stehen und malen. Ja, auch im Hessenfernsehen zeigten sie in den 80er-Jahren Bob Ross (Link zum YouTube-Kanal „The joy of painting“). So stehend vor der Malwand fühle ich, dass ich eine Künstlerin bin!

Denn so war es schon immer für mich in meiner Vorstellung und so ist es jetzt in Wirklichkeit. 

Hast du Lust herauszufinden, wie es für dich ist, wenn du schnell malst? Nur zu! Und lass mich wissen, wie es dir dabei ergangen ist!

Doch mal langsam malen?

Lass mich noch ein Wort zum langsamen Malen anschließen. Langsam und mit aller Bedachtsamkeit, voll konzentriert auf den Körper und die Bewegungen auf dem Blatt, auch das kann dich tief mit dir selbst verbinden. In der Tat hatte ich die intensivsten Momente beim langsamen Malen. Bei mir wirkt das wie ein Lockmittel für Glaubenssätze und alte Verletzungen. Zum Glück habe ich letztes Jahr mit Hilfe von Miriam Leder lernen dürfen, wie ich mit diesen Situationen umgehen kann, um die dabei aufwallenden Gefühle anschauen zu können, sie durchlaufen zu lassen und in Liebe zu verabschieden. 

Aber das ist ein ganz anderes Thema, dem widme ich mich ein anderes Mal.
(Wenn du nicht so lang warten willst, schau doch mal unter „Mal aus deinem wilden Herzen“ hier auf der Seite nach.)

Für jetzt: hab eine wunderschöne und farben-reiche Woche!

Alles Liebe,
Andrea