Innehalten, da bleiben, weiter anschauen

Wie geht es dir beim Malen?

Beschäftigst du dich mit einem Bild und gehst dann zum nächsten? Oder verweilst du auch schon mal bei einem Motiv, bei einer Bildidee und greifst sie wieder und wieder auf? Lässt dich von einem Moment, einer Idee zur nächsten tragen und so weiter und so fort?

Verweilen war bis jetzt nicht meine Stärke, muss ich ganz ehrlich sagen. Ein Bild fertig, zack, das nächste malen. Ganz egal, ob das nun Happy Painting war damals, Mixed Media-Miniserien bei Laly Mille oder andere Projekte aus den diversen Kursen oder aus mir selbst heraus, sobald der letzte Pinselstrich gesetzt war, habe ich das Projekt für beendet erklärt und bin zum nächsten gehuscht. Das lag zu dem Zeitpunkt längst im Hinterstübchen auf der Lauer.

Niemals habe ich mir die Zeit genommen, da zu verweilen, innezuhalten, nochmal hinzuschauen.

Dabei kann genau darin ein Schatz verborgen liegen.

Im Verweilen. Genau.

Im Art Journal entstand neulich, ganz ohne dass ich das vorher geplant hätte, aus einem Bild, auf dem jemand den Kopf aus dem Fenster eines Zuges streckte, eine Windmühle.

Wie, um Himmels willen, komme ich auf Windmühlen?
Gegen Windmühlen kämpfen, fiel mir dann ein. Gottes Mühlen mahlen langsam, aber gerecht, lauter solche Sachen.

Im Verweilen lebt die Innenwelt auf

Zuerst wollte mir das gar nichts sagen, aber es ließ mich nicht los. Bis ich mich an ein altes Foto erinnerte, der erste Familienurlaub auf Amrum Anno Weißnichtmehr, wo ich vor der Windmühle bei Nebel posiere.

Auf einmal erscheint die ganze Art Journal-Seite in einem ganz neuen Licht.

Wenn ich da bleibe, statt zum nächsten Bild zu huschen, kann ich mich mit diesem Thema, das da aufscheint, weiter beschäftigen, ich kann mich mitnehmen und berühren las­sen. Ich kann mich entscheiden, bei dieser einen Sache zu bleiben und sie weiterzuführen, in mir wirken und nach-wirken zu lassen, fühlen, was sie mit mir macht.

Das geht weit über das Ausführen und Fertigwerden hi­naus. Das hat mehr mit Erledigen zu tun, etwas abzuarbeiten.

Aber will ich das?

Ich glaube nicht. Denn was sich da zeigt, was da zum Vorschein kam auf dieser Art Journal-Seite, das ist ja kein singuläres Ereignis oder gar etwas Abge­kapseltes, das für sich steht und mit mir nichts zu tun hat. Nein, es ist die Blüte eines viel viel größeren Gewächses – von mir!. Die Blüte wächst an einem Strauch, an einem Ast, der bin ich, und die Wurzeln sind meine Erfahrungen und die meiner Vorfahren. Die trage ich alle in mir. Ob ich sie benennen oder mich daran bewusst erinnern kann, spielt keine Rolle.

Die­sen Schatz trage ich in mir, auch wenn er manchen Schmerz mit sich bringt.

Verweilen öffnet deine innere Schatzkiste

Der Schmerz ist Teil meines Schatzes ebenso wie die fröhlichen und schö­nen Momente. Beides gilt es zu wür­digen. Beide sind die Voraussetzung für alles, was ich bin und war.

Was ich sein werde, wie ich sein werde, das entscheide ich. Ich ganz allein und niemand sonst. Ich kann schmerzvolle Momente und Erfahrungen anschauen, aber ich brauche mich nicht darin zu suhlen. Wenn ich sie als Teil von etwas ansehe, das dazu beigetragen hat, dass ich bin, wer ich bin, kann ich danke sagen und jeden Moment, ob schmerzvoll oder nicht, in etwas Schönes verwandeln.

Verweilen und sich inspirieren lassen – von sich selbst

Wie wäre es also, statt des nächsten Kurs-Projektes oder der nächsten Idee fürs Art Journal einmal zu verweilen bei dem, was da aufgetaucht ist, und das zu würdigen und für eine neue Art Journal-Seite aufzugreifen? Wer weiß schon, was sich dann zeigt und welche Erinnerungen damit verbunden sind?

Amrum habe ich übrigens immer geliebt – und die Stunden am Kniepsand, den Blick in die Ewigkeit jedes Mal genossen.

Vielleicht ist es einfach an der Zeit, dort mal wieder hinzufahren.