Ceci n’est pas une pipe!

Dies ist keine Pfeife!

„Der Verrat der Bilder“ ist eines der bekanntesten Gemälde von René Magritte. (Schau es dir an in der Wikipedia und lies darüber unter: https://de.wikipedia.org/wiki/La_trahison_des_images)

Was Magritte damit ausdrücken wollte, als der unter die Pfeife, die er da gemalt hatte, drunterschrieb: „Dies ist keine Pfeife“?

Wenn du das Bild zum ersten Mal siehst, regt sich in dir sofort Widerstand. Na logisch ist das eine Pfeife!, rufst du vielleicht aus und bist fürchterlich empört. Was soll es denn sonst sein? Was du da vor dir siehst, IST eine Pfeife!

Oder doch nicht?

Nein, es ist keine Pfeife, natürlich ist es das nicht – und das genau wollte Magritte uns sagen: was wir das sehen, ist lediglich das Abbild einer Pfeife.
Es IST ein Bild, bestehend aus einem Rahmen, der vielleicht aus Holz ist, darin eine Leinwand oder ein Blatt Papier, worauf Magritte malte, weiß ich gerade nicht, und darauf wiederum Farbe, aufgebracht als Flächen, Formen, Linien.
Nichts weiter.
Linien, die in einem bestimmten Winkel angeordnet sind, Flächen, die eine bestimmte Farbe haben, ineinander übergehen, solche Sachen.
Dies ist keine Pfeife!

Du kannst nicht anfassen, was du da siehst – jedenfalls nicht die Pfeife. Du kannst das Bild anfassen, aber sonst auch nichts.

Was Magritte damit erreichen wollte, war, dass wir uns damit auseinandersetzen, was wirklich real ist, was die Wirklichkeit ist, was die Realität eines Gegenstandes ist – und was Zuschreibenden bewirken können, die wir jedes Mal anstellen, wenn wir sagen, etwas IST. Magritte fordert uns zum gnadenlosen Realitätscheck auf!

Weshalb ich dir davon erzähle?

Was das für jeden selbst in seiner persönlichen Entwicklung und in seiner Beziehung zur Welt bedeutet, darüber könnte ich jetzt ein ganzes Buch schreiben, aber ich beschränke mich hier auf unsere Kreativität, aufs Malen.

Ich erzähle dir davon, weil du dir bestimmt schon mal die Frage gestellt hast: „Was soll das werden?“, bevor du zu Stift und Farben gegriffen hast.

Und dann kam dir vielleicht die Idee, ein Haus zu malen. Oder ein Pferd – viel viel schwieriger. Oder gar einen Menschen? Ein Gesicht? Ein Wesen mit einer bestimmten Körperhaltung?

Ach du lieber Himmel! Wie soll das gehen?

Was soll das WERDEN?

Werden als Zukunftsform von SEIN, von Existenz.

Das, was IST, ist „manifest“ (von lat. „manifestus“ = handgreiflich gemacht), es ist da und du kannst es anfassen, physisch berühren.

Oder hat dich schon mal jemand gefragt, was das sein soll, was du gemalt hast, und du hast vielleicht geantwortet: das soll ein Haus SEIN?

Bringst du ein Haus zum SEIN, also in die physische Existenz, indem du es malst? 

Nein! Natürlich nicht.

Vielleicht höchstens im übertragenen Sinne als Stellvertreter, wenn du dir ein Haus wünschst und du an das Gesetz der Anziehung glaubst und dir eines im neu-spirituellen Sinne „manifestieren“ willst.

Doch wenn du malst, dann mach dir bewusst:
Du malst kein Haus. Du malst Linien und Flächen.
Du malst kein Pferd. Du malst Linien und Flächen.
Du malst keine Augen, keine Nase, kein Gesicht: du malst Linien und Flächen.

Linien und Flächen. Mehr ist es nicht.

Und schon verflüchtigt sich das überwältigende Gefühl von Ohnmacht und ich kann mich wieder spielerisch einlassen auf das Experimentieren mit Linien und Flächen und Farben.

Denn nein, ich kann nicht zaubern. (Manifestieren ja, denn das tue ich andauernd mit der Kraft meiner alltäglichen Gedanken, und wenn ich die endlich mal ändern würde, hätte ich auch das Haus und der Karibik, von dem ich träume, aber das steht auf einem anderen Blatt!)

Keiner von uns kann zaubern.
Aber ich kann malen.
Linien und Flächen.
In verschiedenen Farben, mit verschiedenen Werkzeugen, in verschiedener Zusammensetzung.
Mehr ist es nicht, aber auch nicht weniger.

Was du und was andere darin sehen, das ist ein völlig anderes Thema!

Was soll das werden?

Also, wenn du dich das nächste Mal fragst, „was soll das werden?“, und du vor Überwältigung die Hände vors Gesicht schlägst, sag dir:
Es wird ein Bild.
Und fang einfach damit an, nach deiner Lust und Laune Linien und Flächen zu malen.

Oder wenn dich jemand fragt, „was soll das sein?“, dann sagst du einfach:

Ein Bild.