Wozu sind Täler da?

Damit du auf Berge klettern kannst, über allem stehst und erkennst, wie schön die Welt doch ist.

Neulich traf ich eine Bekannte, die mir zum neuen Buchvertrag gratulierte. Ich be­dankte mich, erzählte ihr davon, wie sehr es mich freut, da gerade alles so toll läuft mit dem Schreiben und mit dem Malen und wie es dazu kam, dass ich mir all das endlich erlaube, nachdem ich so viele Jahre glaubte, nichts zu sagen zu haben und erst recht nichts zu können. Natürlich hat das nie gestimmt, irgendetwas hatte ich ja hier und da richtig gemacht, aber wie hätte ich das sehen sollen mit all den negativen Glaubenssätzen über mich selbst?

Ich fuhr mit dem Gefühl nach Hause: Ja, das gehört alles zu mir, diese dauernden Veränderungen, der beständige Wandel, die hunderttausend Interessen, dass ich heute dies und morgen das total spannend finde – und den Luxus genieße, diesen vielen Interessen sogar nachgehen zu können.

Wie im Moment dem Malen. Mit einem Glücksgefühl, aber auch einer Spur Müdigkeit im Leib setzte ich mich am Nachmittag an den Maltisch. Bevor ich anfange, mache ich eine Medi­tation, bei der ich in mich hineinhorche, was da gerade ist. Ich fand Unruhe. Und im nächsten Moment ein Wort:

Unzulänglichkeit.

Der alte Stachel Selbstzweifel

Wer, zum Teufel, glaubte ich eigentlich zu sein, dass ich etwas Sinnhaltiges in diese Welt bringen könnte?

In der Magengegend breitete sich ein ungutes Gefühl aus, ein Grummeln, ein Unwohlsein, das nach oben stieg und mir gegen die Kehle drückte. Schuld. Scham. Ja, verdammt. Was bilde ich mir ein? Wie kann ich es wagen?

Alles brachte ich aufs Blatt: Wörter, Fragen, schrieb es auf, ließ es stehen.

Die Meditation geht aber noch weiter. Ich stelle mir als nächstes die Frage: Was ist es, was mir jetzt guttut?

Neue Wörter kamen: Vertrauen, Halt. Ja, ich sehnte mich nach Halt. Da standen sie nun auf dem Papier, verbunden mit Pfeilen, ein Wort zum an­deren. Im nächsten Schritt nahm ich die Aqua­rellfarben und ging damit übers Papier. Ruckzuck verschwanden die trüben Wörter hinter dunklen Farben, aus denen später blühende Bäume wurden. Das ungute Gefühl verwandelte sich in Freude und die guten Wörter schwebten wie Luftballons im Himmel, bereit, mich davonzutragen.

Am Ende vereint das Bild beides: die negativen, belastenden Gedanken, aber auch das Positive, Bestärkende. Die Unzulänglichkeit ist optisch verschwunden. Nur ich weiß, dass sie da ist, wo sie ist, aber ich muss sie nicht mehr sehen. Das Malen hat mir einen neuen Kanal geöffnet, wie ich an solche mich limitie­renden Glaubenssätze herankomme. Es gelingt mir immer schneller, daraus etwas Aufbauendes zu machen. Von Tag zu Tag, von Bild zu Bild schaffe ich es schneller hinaus aus dem Tal und hinauf auf den Berg.

Das ist wie Training, wie Gewichte heben, Joggen, Kreuzworträtsel lösen. Und je öfter du da oben gewesen bist auf dem Berg oder es über die Ziellinie deiner Lauf­strecke geschafft hast, desto sicherer wirst du, es zu schaffen, desto weniger schrecken dich die Tage, du denen es mal nicht so läuft. Dein Körper ist so voll mir den Erinnerungen, wie es sich anfühlt da oben, dass du von ganz allein da wieder hin willst. Du brauchst dich nicht mehr so sehr anzustrengen, den Willen aufzu­bringen, aus dem Tal heraus aufzusteigen. Du weißt ja, wie es geht, hast die Instrumente verinnerlicht, alle Werk­zeuge bei dir, alle Kletterstrategien. Du hast die Kraft und du hast die Aus­dauer. Angetrieben von dem Wunsch, um dich herum das Schöne zu sehen, dich wohl­zufühlen und das Leben zu genießen, nimmst du den Aufstieg leichten Herzens in Angriff, und wenn du oben bist und nach unten schaust, von wo du gekommen bist, sagst du dir: Ich habe es erreicht. Wieder einmal.

Es wird jedes Mal einfacher

Ich glaube, das nennt man Resilienz.

Klettern üben ist verdammt anstrengend, genauso wie laufen und Gewichte heben. Aber die Übung zahlt sich aus. Und wenn du beim Klettern eines Tages Leichtigkeit spürst, dann halte einen Moment inne und danke dir selbst für all die Mühen, die du auf dich genommen hast, um diese Wider­standskraft zu erreichen, danke dir selbst für all die Stunden der Qual, in denen du dich darin geübt hast, deine Werkzeuge und Strategien auszuprobieren. Setz dich auf den Gipfel, schau in die Landschaft und sag: Danke!

Andrea vom Atelier am Rain

PS: Note to self – apropos Gipfel. Einen Text über die Vogelschau schreiben, zeitlich, räumlich.

(Foto: Canva.com)

Welche Variante wählst du?

Ehrlich?
Ich vermittle anderen Menschen lieber eine gute Stimmung. Du doch sicher auch, oder? Ganz von den Stimmungsschwin­gungen abgesehen, die unsere Spiegelneuronen auffangen: nega­tive Emotionen wie Wut, Schuld, Scham, Trauer bescheren unserem Körper einen ganzen Cocktail an Stresshormonen, die auf Dauer Gift sind für unsere Organe und sogar unser Erbgut schädigen. Inzwischen weiß man, dass sogar kurzzeitiger Ärger schon genug Stresshormone produziert, um ernst­haften Schaden anzurichten.
Ich glaube, jetzt hast du verstanden, was es mit deiner Schöpferkraft auf sich hat und mit der in jedem Einzelnen von uns. Du bist so viel mächtiger, als du denkst. Du hast einen enormen Einfluss auf die Men­schen in deiner Umgebung und die wiederum auf ihre Umgebung und so weiter und so fort. Mach dir das immer wieder bewusst. Mit unseren Worten, Taten und Entscheidungen formen wir die Welt. (In diese Reihung gehören auch noch unsere Gedanken, aber dazu schreibe ich noch was oder habe schon was geschrieben.)
Wie wählst du künftig deine Worte? Wie wirst du den Menschen in deiner Umgebung künftig gegenübertreten? Wie entscheidest du dich? Wie auch immer deine Antwort ausfallen wird, ich bin sicher, du triffst die „richtige” Entscheidung, schließlich lesen nur Menschen meinen Blog, die wie ich die Welt verbessern wollen. Das zumindest hoffe ich.
Ich hoffe auch, du hast aus diesem Text etwas für dich mitnehmen können und lächelst dich ab jetzt öfter morgens beim Blick in den Spiegel an, denn ja, auch hier wirken die Spiegelneuronen. Witzig, oder? Dies ist übrigens der allerbeste Gute-Laune-Heber, den es gibt. Fühlt sich erst komisch an, aber regelmäßig ausgeübt, kannst du schlechte Laune schlicht vergessen. Worauf wartest du also noch? Ran an den Spiegel und lächeln, was das Zeug hält!
Andrea aus dem Atelier am Rain
(Foto: Canva.com)